Sowas wie ein Vorwort:
Grüezi, mein Name ist Klärli Bünzli geb. Muggishuser, ich bin die Nachbarin von der Frau Freihalterin. Ebendiese behauptet ja, ich sei die Sorte Nachbarin, die ein jeder kennt und fürchtet, aber ich verstehe nie so ganz, was sie damit meint.
Auf alle Fälle bin ich die Frau vom Ruedi Bünzli, kümmere mich um Haus und Garten und auch darum, dass in der Strasse alles seine Ordnung hat.
Das ist wichtig, denn heutzutage verrohen die Sitten und es wird sogar am Sonntag gestaubsaugt – unvorstellbar, oder!?
Nun ja, was wollte ich jetzt sagen? Ah ja, eben die Frau Freihalterin, die geht mir ja schon seit Jahren auf die Nerven mit ihren Lobgesängen auf die Hurtigrute – schönste Seereise und sowas. Wie wenn ich keine Ahnung von Schiffsreisen hätte, ich war durchaus auch schon auf einer Kreuzfahrt – Rhein und Mosel, das war sehr nett. Eben, und
damit ich mir jetzt ein Bild machen kann, habe ich mich entschieden, die Reise von der Frau Freihalterin und ihrem Mann (armer Kerl, bei DER Frau!) als unsichtbarer Passagier mitzumachen – und dann werden wir ja dann sehen!!!
Als ich heute rein zufällig natürlich nämlich rübergeschaut habe, sah ich die beiden doch beim Packen. Beim Packen! Dabei reisen sie morgen schon. Sowas kann ich ja gar nicht verstehen, mein Koffer ist seit zwei Wochen gepackt, siebenmal abgestaubt, dreimal gewogen und acht mal umgepackt. Aber ich hab ja schon lang vermutet, dass die gute Frau von drüben ihren Haushalt nicht im Griff hat. Am Vortag packen, also wirklich!
Nun gut, ich lass mich überraschen, was sie sonst noch so bringt – und ob dieses Norwegen und diese Kreuzfahrt wirklich so zum Lobhudeln sind. (Und ich höre sie schon wieder dazwischenkrähen – keine Kreuzfahrt, eine Seereise, papperlappapp!)
Bleiben Sie mir gewogen, ich melde mich wieder, sobald ich kann, denn allein die Anreiseplanung – ich sag ja lieber nichts dazu…
Hochachtungsvoll grüsst Ihre Klärli Bünzli
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TAG 1 BERGEN
Grüezi miteinander, hier schreibt wieder die Klärli Bünzli, ich muss Ihnen jetzt einfach von der Anreise und den ersten Stunden auf der MS Nordkapp erzählen. Und glauben Sie mir, da gibt es einiges!
Ich weiss ja nicht, was die Frau Freihalterin geritten hat, als sie die Anreise gebucht hat – kann aber nichts Gutes gewesen sein – um halb fünf aufstehen! um viertel nach fünf losfahren und kurz vor sieben abfliegen. Da hätte man doch auch am Vortag nach Bergen fliegen können und dort eine Übernachtung machen. Schliesslich kenne ich Bergen noch nicht. Und dann die Sache mit dem Gepäck. Sie hat ja vorher ausgiebig bei SAS und Avinor recherchiert, dass ihr Gepäck in Oslo durchgecheckt wird und nur 50 Min. zum Umsteigen gebucht – naja, das war ja klar, dass das nicht funktioniert. Zum Glück hat sie der nette SAS-Mitarbeiter gerettet und umgebucht, weil’s ein Fehler im Buchungssystem sei. Ach was– sie hat doch nur einfach wieder mal keine Ahnung gehabt.
Zwei Stunden später als geplant waren wir dann aber doch in Bergen – und glauben Sie nur ja nicht, dass ich irgendwas von Bergen gesehen hätte! Auf direktem Weg zum Hurtigrutenterminal, Koffer abgeben, ins Café setzen und auf die Ankunft des Schiffs warten, das haben sie gemacht. Man hätte doch locker noch die Brygge und den Floyen und den Hafen anschauen können, dafür reichen doch zwei Stunden, und es gibt ja schliesslich Regenjacken.
Auf dem Schiff haben sie dann so getan, als seien sie alte Routiniers, aber nicht gewusst, dass die Sicherheitseinweisung jetzt auf dem Schiff stattfindet. Aber dann während dem Auspacken schon Champagner trinken, das passt ja wieder! Ein bisschen lustig war es aber schon, denn die Frau Freihalterin wird ja immer so redselig und
schusslig, wenn sie Alkohol trinkt – keine Übung, die Gute. Zum Glück bin ich da trinkfest, denn das eine oder andere Verdauungsschnäpschen hilft mir gern mal.
Das Ablegen mussten sie ja dann unbedingt vorne im Freien unter der Brücke verfolgen, dabei wäre es im Panoramasalon so nett gewesen, ich hätte mir bestimmt noch einen Platz geangelt, glauben Sie mir, da drin bin ich gut!
Als sie dann was erzählt hat von unruhiger Nacht, dachte ich , das sei wieder ihr übliches besserwisserisches Geschwafel, aber ungern muss ich zugeben, dass sie recht hatte. Es war heute nacht schon ziemlich Bewegung auf dem Schiff – also auf dem Fluss hatten wir sowas ja nie! Vielleicht ist der Kapitän ja noch unerfahren!
Und dann möchte ich noch klarstellen:
– 450 Passagiere auf dem Schiff sind doch nicht viel, auch wenn die beiden das anders kennen! Die sollten mal auf eine MeinSchiff oder sowas!
– von wegen „norwegisches Wetter“ – es regnet immer wieder, und ich bin ja nicht wegen der schönen Regenbogen hierhergekommen. „Lichtstimmungen“ – pah, man kann sich ja alles schönreden!
– man muss nicht aufs Mittagessen verzichten, nur weil man spät gefrühstückt hat. Also ehrlich, wenn ich das zuhause dem Ruedi vorschlagen würde, der würde glatt fragen, ob ich krank sei.
– es ist nicht nötig, einfach zu jedem so freundlich zu sein – ich rede ja schliesslich auf der Strasse auch nicht mit jedem! Konktaktfreudig? Blödsinn, eine alte Schnattertante ist sie, meine werte Nachbarin, ganz anders als ich!
Nun liegen wir hier im Hjorundfjord, aber ich kann Ihnen grad keine Bilder davon zeigen, ich kann das nicht, und eigentlich will ich die Frau Freihalterin nicht um Hilfe bitten… Aber ein Reisebericht ohne Bilder ist auch blöd, vielleicht kann ich sonst wen von all den Kameraträgern hier fragen, mal schauen. Den Ruedi kann ich grad nicht
fragen, der ist auf Kegelclubreise.
Ich muss jetzt Schluss machen für heute, ich muss dringend schauen gehen, was sie jetzt schon wieder treibt, nicht, dass sie mir entwischt.
Bleiben Sie mir gewogen, ich melde mich wieder,
Ihre Klärli Bünzli!
(Anmerkung zur Sicherheit:
Frau Freihalterin ist mein "Nick", den ich ausserhalb des Hurtigforums benutze und Klärli Bünzli eine freie Erfindung meinerseits, um mal einen andere Art Reisebericht schreiben zu können, jedwelche Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist rein zufällig)