Weihnachten auf der Polarlys: Im Dunkeln ist gut schunkeln! [19.12.-30.12.2021]

  • @lynghei danke für den Hinweis, hier war leider der Kopf schon weiter als die Finger auf der Tastatur.
    Wir konnten die Schiffsreise auf September umbuchen (17.09. bis 28.09.2022 MS Nordlys), da wir die Flexoption in Anspruch genommen haben. Der Grund für die Umbuchung sind die österreichischen Einreisebestimmungen aus Virusvariantengebieten (Booster+, d.h. 3x geimpft plus PCR-Test oder 2x geimpft und genesen plus PCR-Test). Da wir 2x geimpft und genesen sind, und die Impfzertifikate für 2x geimpfte in Österreich mit 1. Februar statt wie bisher 9 Monate nur mehr 6 Monate gelten, sind unsere Zertifikate damit plötzlich ungültig und wir müssten nach der Heimreise 10 Tage in Quarantäne gehen.


    Nach dieser kleinen Abschweifung freue ich mich auf die Fortsetzung des Reiseberichtes :)

  • Willkommen zurück! :)


    Hinweis: Der im Text beschriebene Jürgen ist mit seiner Beschreibung einverstanden!


    Tag 2 - Schicksalstage eines Reisenden


    Das Meer wog mich sanft in den Schlaf, aus dem Schlaf, wieder in den Schlaf und wieder aus dem Schlaf, bis es Morgen war. Ich habe gut geschlafen, fühle mich erholt und begebe mich ins Bad. Dazu ein wenig Musik aus der Konserve und dann gibt es schon einmal einen kleinen Ausblick von Deck. Dunkel ist es noch, windig ist es auch, aber herrliche Luft. Der Mond scheint, wirft seinen Schein auf das Wasser.



    Meer Mond.



    Im Mondenschein ein kleines Schiff, kaum gesehen ist es auch schon fast wieder verschwunden. Umweht von so viel Muse greife ich zur Kamera und fange an zu fotografieren. Außer mir ist nur ein junges Paar an Deck, von der Romantik her sehr passend. Langsam einigen sich die Zeiger der Uhr auf eine Stellung, die der entspricht, die auch mein Frühstückstermin ist.



    Ein bisschen Meer.


    Ein freundlicher Gruß, Desinfektion und dann darf ich mich zum ersten Mal mit meinem eigenen Tisch bekannt machen. Es wird eine innige Beziehung werden, soviel sei verraten. Von der Auswahl am Buffet war ich völlig erschlagen und übe mich in Zurückhaltung. Doch je mehr ich esse, desto mehr wächst der Appetit und so probiere ich mich einmal reihum und weiß wieder, was ich vermisst habe: Brunost, Hafergrütze, Lachs und die guten Marmeladen. Nur eines missfällt mir: der Kaffee. Es ist egal aus welchem Automaten, es bleibt eine wässrige Suppe mit eigenartigem Geschmack. Das ist wirklich ein Minuspunkt. Und richtig beleben tut er auch nicht, das ist doch wirklich schade. Aber: dass man auch Kaffee kochen kann, werden wir noch öfter erleben können. Ganz allmählich sind draußen erste Konturen erkennbar und immer mehr Passagiere versammeln sich vorne auf Deck 5, um so richtig Meeresluft zu schnuppern und in Urlaubsstimmung zu kommen.




    Wir nähern uns gerade Ålesund, als mit einem Mal ein merkwürdiges Rauschen zu hören ist. Kurz darauf ein dumpfes Grollen. Nein, weder war das mein Magen noch ein Grolltroll, sondern vielmehr eine Gesteinslawine, die unter einer riesigen Staubwolke gen Tale und ins Meer rauscht. Allerdings haben wir die eigentliche Lawine nicht gesehen, erst als sich der Staub verzog, war der Berg etwas kleiner und das Meer etwas aufgewühlter. Wir erreichen also Ålesund und hier sind nun zwölf Stunden Aufenthalt geplant. Ich bin kein Freund dieser Maßnahme (und bin damit nicht allein, wie mir das Personal erzählte), aber gut, wenigstens keine Hektik. Den Vormittag verbringe ich damit, nach Souvenirs (Kühlschrankmagneten) und weiteren Dingen zu schauen, sozusagen ein klassischer Einkaufsbummel.





    San Francisco





    Das Wetter ist ganz annehmbar, aber die Stadt merkwürdig leer und die Geschäfte sind auch nicht überlaufen. Ein Magnet ist schnell gefunden, weiter geht es in die Ladenpassage. Ein Gewirr von Geschossen, Halbgeschossen und Ladengeschäften empfängt mich. Außer einem Supermarkt finde ich auch einmal mehr einen Buchladen, in dem wieder ganz andere Bücher zu haben sind als in Bergen – trotz dem es dieselbe Kette ist. Ein Buch über neue Sprachen in Norwegen fällt mir ins Auge und hernach in die Tasche – ein Sprachwissenschaftler erklärt die Struktur von Migrantensprachen in Norwegen, worunter so illustre Sprachen wie Vietnamesisch, Somali und Russisch fallen. Spannend und eine gute Übung. Ein Blick auf die Uhr: gleich ist Mittagszeit, die Wanderung erfolgt am Nachmittag.
    Zum Mittag treffe ich erstmals auf den Kellner dieses, meines Bereiches, auch er wird noch mehrfach erwähnt werden - Oskar. Das Mittag wird entgegen meiner Vermutung à la carte serviert, aber immerhin gibt es so mehr Lesestoff in Gestalt von Speisenkarten. Nach dem Mahl ist vor der Wanderung. Bepackt mit Stativ, Kamerarucksack und Schokolade mache ich mich auf den Weg und fast sind mir die Treppen im Stadtzentrum selbst schon zu viel, aber ich kämpfe mich voran.




    Pausen wegen Atemlosigkeit tarne ich geschickt als Fotohalte, dann bin ich oben und denke mir, das ist ja wohl der Gipfel. Aber falsch gedacht. Noch ein paar Höhenmeter und dann bin ich tatsächlich ganz oben. Wobei die Aussicht dortselbst irgendwie nicht halb so viel Reiz hat wie von der Restaurantterrasse aus.



    Überzeugte mich nicht so...



    Nun wieder ein paar Höhenmeter hinab und auf die Terrasse, das Stativ aufgebaut und die Kamera ausgerichtet. Ich hatte hier oben doch einige Leute mehr erwartet, neben mir steht jedoch nur ein weiterer Fotograf. Auch bessere Ausrüstung, auch ein Auge für das Objekt. Wir fotografieren also lustig nebeneinanderher und mir wäre es wahrscheinlich nicht eingefallen, ihn anzusprechen. Mein Gegenüber sah das anders und fing ein Gespräch an. Durchaus angenehm, unaufgeregt, sachlich. Mein Abflughafen Prag erregt Interesse, auch die Tatsache, dass ich in Tschechien wohne. Nebenbei fotografieren wir weiter. Es stellt sich heraus, dass wir beide nicht nur schwimmendes rot-schwarz-weißes Metall fotografieren, sondern auch ebensolches in anderen Farben und auf Schienen. Na, das kann ja was werden. Im Überschwange des Redens bemerken wir fast nicht, dass es dunkel wird. Zahlreiche schöne Fotos entstehen und im Gespräch verharrend begeben wir uns wieder hinunter in die Stadt.




    Schon komisch, nach zwei Stunden wieder Menschen zu treffen. Ich bog noch einmal ab in Richtung Supermarkt, wo ich mich durch die Regale wühlte. Ein Angebot ließ mich zugreifen, so war ich mit Limonaden bis zum Reiseende versorgt.
    Ich stob also dem Schiff entgegen und machte mich auf der Kabine etwas frisch und war so bereit für das Abendessen. Das war dann sehr gediegen, Dan Olsen und Kellner Oskar grüßten freundlich und ich fühlte mich rundherum wohl. Die Speisekarten darf ich übrigens am Platz behalten, ich solle alles lesen! Ich weiß nicht, ob man mir den Wissensdurst ansieht, aber irgendwie wohl schon. Auch dazu noch mehr. Die neue Variante des Abendbrotes, nämlich die Auswahl mehrerer Vorspeisen, Gerichte und Desserts, gefällt mir sehr. Wenngleich ich meine, dass die Portionen ein bisschen kleiner geworden sind. Aber Nachtisch sollte doch kein Problem sein, oder? Und wieder, das Interieur. Wie kann man es nur fotografieren?



    Tag 3 - Fisch? Aber bitte mit Sahne!

    Ich hatte eine gute Nacht und verschlang das neue Buch über die neuen Sprachen in Norwegen. Der neue Tag empfing uns mit wolkenverhangener Küste und einem wiederum hervorragenden Frühstücksbuffet. Allerdings hielt ich mich wieder zurück, auch wenn ich gerne mehr probiert hätte. Aber dafür ist ja noch Zeit. Meine Vorfreude auf Trondheim war unermesslich groß, ich mag die Stadt irgendwie. Allerdings sehen das nicht alle so: die beiden Expeditionsleiter Jan und Laura belegten sich gegenseitig mit Aussagen zur Schönheit der jeweiligen Städte. Bergen trägt Jans Meinung nach den Beinamen „Das norwegische Nordkorea“. Ich habe beides gesehen, kein Vergleich – die Architektur in Pjongjang sagt mir etwas mehr zu.


    Jetzt ein Wort zu den Durchsagen: Die Dritte im Bunde, neben Jan und Laura, hatte oft Gelegenheit, Durchsagen zu machen. Und es war großes Theater: Erst ein so sanftes, singendes Norwegisch, dass es auch für mich verständlich war. Dann solides Englisch und dann ihr Deutsch – mit einem niedlichen Akzent, witziger Wortwahl und dann und wann ein paar Fehlerchen. Ich hatte so viel Freude daran, dass ich meinen Verwandten immer einmal etwas aufgenommen habe. Sehr angenehm. Es gab natürlich auch Vorträge und kurze Beiträge zu gewissen Punkten an der Strecke, so unter anderem zu Munkholmen. Hätte ich mal besser zugehört! Oder wäre ich noch besser überhaupt erst einmal hingegangen. Die MS Nordnorge verhinderte eine pünktliche Ankunft in Trondheim, dafür gab es etwas auf die Ohren bei der Begrüßung.
    Danach ging ich in die Kabine und holte alle Sachen, die ich brauchte. Also meine andere Kamera. Kaum angelegt ging ich schnurstracks in die Stadt, das heißt zum Bahnhof. Unterwegs traf ich den Fotografen aus Ålesund, der sich als Jürgen vorstellte, wieder. Ich lief weiter in die Innenstadt, hatte ich doch ein Ziel: einen kleinen Laden namens Trønderfrim.
    Passenderweise direkt an der Endstelle der Straßenbahn. Also suchte ich mir meinen Weg und war wieder begeistert von der Stadt. Allerdings habe ich die Touristeninformation nicht gefunden, einen Magneten gab es dann mitsamt einem Kaffee bei Narvesen. Angekommen im kleinen Laden war ich hin und hergerissen. Es stapelten sich die Modellbahnkartons, aber ich war eigentlich hier, weil mich ein Student darum bat, nicht nur eine Postkarte zu schreiben, sondern mich auch nach Briefmarken umzuschauen. Und wenn man alles kombinieren kann und erst noch mit Straßenbahn vor der Haustür – besser geht es nicht. Briefmarken nehme ich mit, die Modellbahnen bleiben im Laden. Noch ein bisschen schlendern, bei zunehmend schlechterem Wetter. Ja, die Zeit drängt ein bisschen, aber es ist alles völlig stressfrei. Ein paar Bilder fallen im Hafengebiet noch ab.



    Da ging mir eine ganze Batterie von Lichtern auf.



    Wieder auf dem Schiff gibt es Mittagessen und zum Dessert Eis. Dabei fällt mir die Werbung für Eis von den Lofotinseln auf. Das sollten wir doch noch einmal ausprobieren? Zeit genug ist ja, denn nun liegt die weite Strecke nach Rørvik vor uns. Die Zeit nutze ich zum Schreiben, zum Lesen und zum Ausgucken, allerdings ist es schon wieder dunkel, sodass der letzte Punkt doch eher kurz ausfällt. Aber die Idee mit dem Gefrorenen vom Mittag kommt mir wieder in den Sinn. Deswegen auf zu Deck 7 und beim netten Steward in Multe (Lob an den Innenarchitekten!) und einmal eine Kombi aus Klipfisk-Eis, Lofotenpils-Eis und Brunost-Eis bestellt, schön mit Schokostreuseln und Sahne (ich fragte mich gelegentlich selbst, in welchem Monat ich eigentlich bin). Lecker. Jeden Tag müsste ich das nun nicht essen, aber doch, das ist wieder so ein kleiner Moment des Glücks. Übrigens scheint im Multe auch die einzige Kaffeemaschine zu stehen, die Kaffee aus Kaffeebohnen macht und nicht aus Staubsaugerbeutelinhalt. Wir fahren jedenfalls gemütlich Rørvik entgegen und treffen dort am Abend auch pünktlich ein. Zum Abendessen wählte ich wiederum Fisch, zum Nachtisch wieder Käse. Kellner Oskar bringt den Käse, ich muss aber einmal wohin und als ich wiederkomme ist der Käse weg. Eine andere Kellnerin hatte mich gehen sehen und abgeräumt. Als Entschädigung gibt es noch einmal Käse und als Entschuldigung auch noch Dickmilch. Kann passieren. Ich beteilige mich noch an der Polarkreiswette und in Rørvik gehe ich im dichten Schneetreiben auch noch einmal hinaus, hier hat sich gefühlt nichts verändert.



    Schneetreiben, Abbildung ähnlich


    Und damit ist ein interessanter Tag schon wieder vorbei und damit auch dieser Beitrag. Bis bald.



    Martin

  • Pausen wegen Atemlosigkeit tarne ich geschickt als Fotohalte


    Das kommt mir doch irgendwie bekannt vor! :hechel: :hechel: :hechel:




    das ist wieder so ein kleiner Moment des Glücks


    Man muss die Glücksmomente aber auch entdecken und sich an ihnen erfreuen können so wie du. Deine poetischen Schlaf- und Mondscheinbilder, die liebevolle Schilderung der Durchsagen, deine Freude an den skurrilen Eissorten :icecream: .....


    Das ist herzerwärmend. Danke dafür! :flower:



    Viele Grüße
    omlia :alien:

    Reiseberichte im Profil

  • Das Multe auf der Polarlys habe ich auch geliebt, nicht nur wegen der köstlichen Kaffeeangebote.
    Die drei Eissorten hatte ich auch probiert und fand sie allesamt auch nicht übel. (böse Zungen würden jetzt eh behaupten, ich wäre ein Eismonster :rolleyes: )
    Eine witzige Geschichte zum Eis fällt mir da ein: Es wurde immer für die "besonderen" Eissorten geworben und da kam doch tatsächlich mehrmals die Frage, aus welchen Pilzen das Lofotpilseis ist ?( :D

  • Eine witzige Geschichte zum Eis fällt mir da ein


    Eine Eisgeschichte habe ich auch - sorry für off-topic - Tochter und ich sassen am dritten Tag mit dem Reiseleiter beim Mittagessen. Fragte er mich, warum ich zum Nachtisch kein Eis genommen hätte. Ich: Eis - wo gibts denn Eis ?( Er: auf dem Buffet, steht doch jeden Tag IMMER (!)da! Es stellte sich heraus, dass die niedliche Barbiepuppe auf dem Buffet keine Deko war, sondern dass ihr weites Ballkleid Eis war, getarnt unter Marzipanrüschen. Hat tagelang niemand bemerkt...

    Meine Fahrten: FINNMARKEN - NORDLYS - NORDNORGE - KONG HARALD - VESTERÅLEN - LOFOTEN (5X) - FRAM

    Reiseberichte siehe Profil !


  • Tag 4


    Beim Aufwachen merke ich schon irgendwie, dass es draußen noch dunkel ist. Kleiner Scherz, wir haben nun den Polarkreis überquert oder sind kurz davor. Wir fahren dem Fahrplan hinterher, meine Zeit von der Polarkreiswette wäre vielleicht passend gewesen, wenn ich hätte tippen sollen, wann ich duschen gehe. Ich nehme die Polarkreisüberquerung also gar nicht wahr, draußen ist es genauso hell oder dunkel wie nun schon seit drei Tagen und ich freue mich auf das Frühstück. Mittlerweile kennt man sich untereinander, also alle, die zur selben Zeit zum Frühstück kommen dürfen. Oder müssen. Nach dem Frühstück wird es draußen jedoch ein bisschen heller, es gibt so etwas wie Licht. Nur leicht gedimmt. Warmes Licht, das uns umfängt. Da kommen selbst gute Kameras an die Grenzen, so etwas kann man einfach nicht gut wiedergeben.




    Ich habe es dennoch versucht.



    Die Polarkreiszeremonie verpasse ich nicht ganz unabsichtlich, doch sie verzögert sich auch, denn wir fahren immer noch dem Fahrplan hinterher. Und es gibt sogar noch eine ungeplante Begegnung. Nein, nicht ich und Jürgen – das passte eigentlich immer wieder einmal, dass man sich irgendwie beim Fotografieren sah oder so grüßte – nein, Polarlys und MS Maud, die gerade Ørnes verließ. Wir wollten dort anlanden und der Aufenthalt dortselbst war nicht der Rede wert, aber pünktlich los kamen wir wieder nicht. Ich beobachtete das Ganze vom Deck 5 vorne. Die Gegend gefiel mir sehr gut, der Ort war sehr ruhig und still, wahrscheinlich ganz im Gegenteil zu dem, was sich nun auf dem Deck 7 abspielte. Aber ohne mich. Jürgen und ich steckten kurz, sehr kurz, den Plan für den Aufenthalt in Bodø ab: Bahnhof. Aber vor den Fleiß hat der Herrgott die Speis‘ gestellt. Und die gab es wieder einmal im Torget, dem schon liebgewonnenen Hauptrestaurant. Unterdessen nähern wir uns bei gutem Wetter langsam Bodø, zahlreiche Flugzeuge am Himmel künden davon. Künden tut auch der Bordrundfunk. Ich sitze auf meiner Kabine und höre der Durchsage aufmerksam zu und denke mir nur, Mensch, Martin, den Namen kennst Du aber. Es war nämlich mein eigener. Was wollen die von mir? Sehr gedankenvertieft gehe ich also zur Rezeption und bekomme mein im Restaurant aufgefundenes Tagebuch wieder ausgehändigt. Also, ich habe schon irgendwie einen Namen, zumindest beim Personal des Restaurants. Jürgen und ich haben schon herausgefunden, dass am Bahnhof in Bodø ein Zug auf uns warten würde, also ist das unsere Anlaufstelle Nummer 1. Und tatsächlich steht dort der Regionalzug nach Fauske. Man schaut unserem Treiben interessiert zu, ein Güterzug erweckt Jürgens Interesse noch mehr. Doch ich will gerne noch in die Stadt schauen. Beim nächsten Besuch am Bahnhof ist ein Besuch in Hostel und Kneipe vonnöten, wirkt beides sehr authentisch. Ich bilde mir ein, einen sehr guten Orientierungssinn zu haben und weiß deshalb auch, wo die Touristinformation ist. War. Wieder einmal umgezogen, in das neue Rathaus. Danke für so viel Information. Das Rathaus finde ich dann auch irgendwann, allerdings fesselt mich dann wieder eher die Architektur.




    Entré des Rathauses in Bodø




    nordisch-sachlich



    Die Touristinformation finde ich nicht, aber es gibt im Einkaufszentrum ja noch einen Buchladen ark, der Postkarten und Briefmarken führt. Zusammen mit den freundlichen Worten der Bedienung ist das ein sehr schönes Einkaufserlebnis. Hurtig gehe ich zurück zum Schiff, diesmal jedoch entlang der Hafenkante, wo sich noch einige schöne Impressionen auf die Speicherkarte speichern lassen.






    Bodø hat sich wirklich zum Positiven verändert.



    Auf dem Schiff hat man mich schon erwartet, dabei liege ich noch gut in der Zeit! Jetzt ist eigentlich Kaffeezeit und warum nicht? Multe begrüßt mich wieder, diesmal auf eine frischgebackene Waffel mit Brunost und Kaffee. Ja, Kaffee. Nach den guten Erfahrungen vom Vortag greife ich beherzt zum Kaffee und werde nicht enttäuscht. Unterdessen laufen wir aus Bodø aus, anders als erwartet gibt es aber keinen Seegang. Wir schippern also Stamsund entgegen, alles ist sehr unauffällig, die Passagiere halten sich ganz überwiegend im Panoramasalon auf. Mir ist es dort jedoch zu voll, ich möchte es ein bisschen ruhiger. So genieße ich die Fahrt auf der Kabine, schreibe, döse und höre Musik. Bald schon ist Abendbrotzeit. Man grüßt sich wieder freundlich, kommt ins Gespräch und auf meine Frage, was denn bitte alkoholfreier Wein sei, bekomme ich die unverkennbar rheinische Antwort: Dat is Traubensaft. Da ist wieder Eis gebrochen! Und das Essen selbst schmeckt auch – gebratener Blumenkohl (Karfiol) als Vorspeise und Kabeljau mit Seetanggewürz als Hauptgang. Der Nachtisch ist wieder Käse, das freundlich angetragene zweite Dessert musste ich aus Platzgründen ablehnen. Von Stamsund ist nicht viel zu merken, bald schon geht es weiter nach Svolvær. Schwach ist die Wand der Lofotinseln auszumachen, das Meer ist ruhig, kalt weht der Wind und klar ist die Luft.




    Die Polarlys in Svolvær



    In Svolvær ist der (See)Hund begraben, kein Mensch auf der Straße, die Hotels alle dunkel. Nur ein mobiler Verkaufsstand versucht noch, Kleidung feilzubieten. Angesichts der geringen Kundenfrequenz ist das aber ein eher vergebliches Unterfangen. Genauso vergeblich wie die Hoffnung einiger Passagiere, dass wir vielleicht doch noch zum Trollfjord fahren würden. Taten wir nicht. Aber alles Gute vom Troll gab es dennoch. Nach ein paar Bildern begebe ich mich wieder auf das Schiff und zur Ruh‘.



    Tag 5


    Auf den fünften Tag freute ich mich besonders, denn wir sollten Tromsø erreichen. Zuvor galt es aber noch, den gerade beginnenden Tag zu genießen. Es war deutlich spürbar, dass die Nacht jeden Tag noch etwas länger wurde, allerdings waren die Farben am Himmel herrlich. Bis diese allerdings überhaupt zu sehen waren, dauerte es noch etwas. Und so nahm ich erst einmal das Frühstück zu mir und labte mich wieder an Hafergrütze, Brunost und köstlichem Weißbrot mit vielen Sorten Käse. Nur der Kaffee überzeugte mich wieder nicht. Aber es erschien mir andererseits auch unwahrscheinlich, dass über Nacht jemand eine neue Kaffeemaschine eingebaut haben könnte. Der Vormittag dümpelte so vor sich hin, das Schiff auch. Langsam nahmen Tag und Landschaft Konturen an, schon bald sollten wir nämlich Finnsnes anlaufen.




    Vorweihnachtliche Gemütlichkeit in Finnsnes



    Der Fahrplan jedoch war uns noch immer ein paar Minuten voraus und so verkürzte sich der Aufenthalt dortselbst etwas, dichtes Schneetreiben umgab das Schiff, schon ein bisschen eine Vorahnung dessen was in den kommenden Tagen noch an Wetter auf uns zukommen sollte. Zwar ging ich in Finnsnes von Bord, doch die Absenz jeglichen Lebens auf der Straße verhieß für Souvenirs nichts Gutes. So war es dann auch. In der neuen und überaus großzügigen Bibliothek hingegen machten es sich die Leute gemütlich. Ja, das wäre jetzt auch etwas, aber das Schiff mahnt zum Aufbruch!


    Späterhin gab es dann Mittagessen und spätestens jetzt ist es auch Zeit, euch den R-Index vorzustellen. Dieser gibt an, bei wie vielen Mahlzeiten des Tages es Risotto gibt. Nichts gegen Risotto, das sich gerne auch einmal unter den Namen Getreidebrei, Gerstotto und ähnlichem versteckte, aber für eingefleischte Vegetarier war das wohl eher wenig abwechslungsreich. Jürgen und ich witzelten immer wieder darüber, dass es heute sicher wieder Risotto gebe. Aber: die Qualität war immer sehr ordentlich, nur manchmal waren die Portionen meinem Appetit nicht gewachsen. Doch Oskar wusste sich Rat: Ob denn nicht das Mittag etwas wenig gewesen sei? Sprach’s und brachte mir einen Nachschlag benebst der Ankündigung, auch ein zweites Dessert bringen zu wollen. Mir war klar: Dem Hunger würde ich in Tromsø nicht anheimfallen. Uns umgab samtwarmes Licht ganz verschiedener Couleur.






    Fast im Minutentakte änderten sich die Stimmungen auf, am und neben dem Wasser.



    Was wir nicht sahen, war der Sturm, der sich aufbaute und durch Fjorde und Meerengen pfiff. Die norwegische Küstenwache folgte uns im Respektabstand, die See war ruhig und Tromsø kam immer näher. Was noch kam, war die Durchsage, dass die Seilbahn auf den Storstein wegen des Windes nicht führe und der Ausflug deshalb entsprechend angepasst werde. Schade, damit war eine meiner Ideen obsolet geworden, aber gut. Das gleiche Schicksal ereilt kurze Zeit später auch die Schlittenhundetour, da eine Brücke nicht sturmsicher sei.
    Mürrische Zeiten für Tromsø, wenn gleich über einhundert Passagiere aussteigen, die nicht wissen, was sie tun sollen. Ich hingegen wusste, dass ich mein Stativ nehmen werde und im Hafen ein paar Bilder anfertigen wollte. Und dann war da ja noch diese sinnliche Begierde namens Architektur, die in Form der Tromsdalenkirke (Ishavskatedrale) in Tromsø durchaus zu gefallen wusste. Nach dem Anlegen konnte ich mein Glück kaum fassen, gab es doch tatsächlich eine geöffnete Touristinformation. Noch größer wurde das Glück, als es dann auch noch Magneten gab, die aber einen kleinen Schönheitsfehler hatten: nirgends stand Tromsø drauf. Egal. Plötzlich sehe ich Bücher in einem Regal. Mit Rabatt. Schauen kann man ja mal. Und tatsächlich, es gibt ein Buch über die Ishavskatedrale von 2015. Dreisprachig, sehr wertiger Umschlag, herausragende Fotografieren und eine wunderbare Typographie lassen das Buch sofort zu einem meiner schönsten Bücher avancieren. Und für knapp 20 € ist das Buch dann auch bald meines.
    Mit Jürgen wird ein bisschen im Hafen fotografiert, so kalt und windig ist es in der Stadt gar nicht, aber auf dem Berg sieht das ganz sicher anders aus.




    Wie sagte Jürgen: Das größte Lob für einen Fotografen ist es, wenn ein anderer das Motiv nachmacht. Ich fühlte mich gelobt.




    In Tromsø könnte ich es gerne länger aushalten, gut, es gibt bald ja noch einmal knapp 1,5 Stunden Zeit dafür.



    Über die Brücke gehe ich hinüber zur Kirche und fröne mit Wonne, aber ohne Sonne, der Lichtbildnerei. Heute entstehen Detailimpressionen und ein paar Kunstschüsse, von dieser so interessanten Kirche, die ich 2017 und 2018 keinerlei Blicke gewürdigt habe, geschweige denn Fotos. Aber nun war alles ruhig, sanfte Beleuchtung und unsanfter Schneefall machten das Fotografieren zur Herausforderung. Nur 30 m neben mir fährt ein Linienbus in den Graben, so stark und anhaltend schneit es. Doch für mich zählen nur die Bilder, man muss sich ja noch ein bisschen weiterentwickeln können.








    Impressionen einer Kirche.



    Für alles andere ist der nächste Aufenthalt hier vorgesehen - wie praktisch schon am 27.12. sehr früh morgens. Beseelt, beschwingt begebe ich mich alsbald zurück an Bord und freue mich auf das Abendessen.




    Wenn man schon einmal unterwegs ist, warum nicht auch Straßenbrücken fotografieren?




    Platz 1 der anheimelndesten Orte Norwegens: Das Busterminal in Tromsø.



    Ja, wieder mit doppeltem Nachtisch, heute vorgeblich deshalb, weil kleiner Heiligabend sei. Wie üblich ist die Qualität des Essens hervorragend, heute gibt es auf Empfehlung einer einzelnen Dame ein alkoholfreies Bier dazu. Mein tschechisch justierter Gaumen meldet aber Widerstand an. Aber es rinnt dann doch ein guter Tropfen die Kehle hinab. Wegen des kleinen Heiligabends bekomme ich heute sogar alle drei Desserts und wie immer wird mir die Speisekarte am Platz belassen mit den Worten: Lies mal tüchtig, dann lernst Du was. Den weiteren Abend verbringe ich auf der Kabine, von Nordlicht weiterhin keine Spur. Aber ich habe ja Bücher, gute Bücher - und Fotos.



    Viele Grüße
    Martin

  • Das größte Lob für einen Fotografen ist es, wenn ein anderer das Motiv nachmacht. Ich fühlte mich gelobt.


    Dem Lob kann ich mich uneingeschränkt anschließen :thumbup: SW und Architektur- genial! Ganz mein Beuteschema, da muss ich wohl bei der nächsten Fahrt auch in Bodø wieder mal von Bord....

    Viele Grüsse, Albatross
    Reiseberichte im Profil

  • Dein Schreibstil ist genial, und deine Erzählweise zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht. :ok:


    Deine Fotos sind ebenfalls total beeindruckend und brilliant, während ich Bild HRO34 überwältigend finde. Ein Foto im Sepia-Effekt mit einem farbigen Glas-Mosaik. WOW! Ich denke, dass es das schönste Foto der phänomenalen Eismeerkathedrale ist, das ich je gesehen habe. :love:


    Ich freu mich auf die Fortsetzung....! :dance3:

  • Vielen Dank für die tollen Fotos.
    Oskar ist meiner netten Tischgenossin und mir, bei meiner Reise ab 31.08.21, auch sehr angenehm aufgefallen.


    Verrätst Du, welchen O-Bus wir auf Deinem Avatar-Foto sehen, mein Mann rätselt schon länger.


    Liebe Grüße, Kamilla

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