Hallo liebe Forengemeinde,
die Postschiffreise: Immer wieder kam die Idee auf, jetzt war sie reif, nicht zuletzt wegen der guten Angebote im Jubiläumsjahr, da dachte ich, ich fahr mit! Auf der Havila Capella wurde ich nicht enttäuscht, das moderne Schiff ist schnell zur Heimat auf Zeit geworden, die winterliche Landschaft war eine wahre Augenweide.
Ich bin wenig seeerfahren, Norwegens Küste bereiste ich zum ersten Mal. Aus Forum, Wiki und Gesprächen an Bord habe ich da und dort Anregungen herausziehen können, vielen Dank dafür! Täglich-detailierte Reiseberichte findet man hier schon einige, ich beschreibe einfach ein paar meiner Erfahrungen, vielleicht mögen sie manch anderem Erstling ein Stein im Mosaik der Informationen sein.
Kabine:
Eine Innenkabine empfand ich als völlig ausreichend, der Differenzbetrag zur Außenkabine lässt sich gut in einen weiteren Urlaub investieren. Zum Schlafen, Duschen und Umziehen ist genügend Platz, zum Rausschauen war ich eh an Deck, und für den allerersten Wettereindruck des Tages gibt's die Frontkamera auf Kanal 19. In den Schränken lässt sich die Kleidung von zwei Personen unterbringen (sechs Bügel sind vorhanden), der Koffer verschwindet hinter dem Vorhang unter dem Bett. Ein- und Auspacken sollte man jedoch zu zweit nicht gleichzeitig. Die dicke Winterjacke hängt direkt neben dem Spiegel und verdeckt etwas den Lichtschalter und die Steuerung der Klimaanlage, was aber nicht sonderlich stört. Letztere bringt die Kabine rasch auf die gewünschte Temperatur, allerdings empfand ich die Luft als recht trocken; ein Nasenbefeuchtungsspray und Halsbonbons mögen hier Abhilfe schaffen.
Bei Seegang oder etwas Schräglage sollte man eher vorsichtig duschen, sonst ist durch eine geringe Randhöhe die Nasszelle schnell komplett unter Wasser; der Rand zur restlichen Kabine ist hingegen üppig dimensioniert. Im Spiegelschrank verschwindet der Inhalt des Kulturbeutels, der im Bad keine Ablagemöglichkeit findet. Da es in der Havila-Kabinenbeschreibung nicht explizit genannt ist: Auch in der Innenkabine sind Haartrockner und Wasserkocher vorhanden, ebenso wie Handseife, Duschgel und Conditioner.
Auf Deck 4 wackeln bei manchem Anlegemanöver dank des Querstrahlruders die Wände; das kann in der Nacht durchaus für ein kurzes Aufwachen sorgen.
Um ggf. über Nordlicht informiert zu werden, drückt man den mittleren der oberen drei Knöpfe auf dem Telefon, so dass die Anzeige "Public Anouncement" [sic] erscheint. Hebt man den Hörer ab, ist diese Einstellung wieder weg - einfach danach den Knopf nochmals drücken. Das dann ständig leuchtende Display lässt sich mit einem Tuch bedecken, falls diese Lichtquelle den Schlaf zu sehr stört, positiv gesehen ist's in der fensterlosen Kabine nach dem Klingeln des Weckers nicht stockdunkel.
Vier Schukosteckdosen und vier USB-Buchsen zum Aufladen von allerlei Geräten sind vorhanden.
Verpflegung:
Die Essenszeiten legt man gleich am Ankunftstag fest, man sollte also frühzeitig anstehen, bevor die gewünschte Schicht ausgebucht ist. Durch bessere Vorabinformation könnte man die Zeit in der Warteschlange verkürzen, damit nicht jeder die gleichen organisatorischen Fragen stellen muss, wenn er an der Reihe ist.
Der Brotkorb steht beim Frühstück nicht automatisch auf dem Tisch, man bestellt einfach die Sorten, die man möchte, und mit "eine Scheibe von jedem" hat man eine gute Abwechslung an Brötchen, zweierlei hellem und einem Körnerbrot. Das vegane grüne Frühstück besteht meist aus einer kleinen Portion der aktuellen Grütze, einer belegten Toastscheibe (z. B. mit Paprika und Pilzen oder angemachten Kartoffeln) sowie z. B. einem kleinen Fruchtgetränk, teilweise mit Ingwer - einfach die freundliche Servicekraft fragen, was gerade dran ist.
Die tapasgroßen Häppchen zum Mittagessen sind abwechslungsreich, schnell hat man den eigenen Appetit eingeschätzt und statt der empfohlenen drei eher vier oder fünf bestellt, nicht zu vergessen das täglich wechselnde Dessert. (Wild-)Brokkoli-Tempura in der Arktis und generell Risoni mit Waldpilzen waren meine persönlichen Lieblinge.
Die drei-Gänge-Auswahl beim Abendessen fand ich ebenfalls gut, in der Summe sind es jeweils 18 verschiedene Speisen, aus denen man im Laufe der Reise wählen kann. Die Speisekarten sind ja im Wiki verlinkt, so dass man sich entweder vorher informieren oder alle drei Tage überraschen lassen kann.
Wer sich vegetarisch ernährt, kann über die Reise hinweg pro Gang aus jeweils acht oder neun Gerichten wählen, den jeweiligen Favoriten habe ich sehr gerne auch ein zweites Mal gegessen. Zum gewählten Hauptgericht werden pro Tisch vier fixe Beilagen serviert, die sich ebenfalls mit den unterschiedlichen Regionen ändern. Zu schade, dass der panierte Fenchel und das Bohnen-Cassoulet gleich zu Beginn miteinander konkurrieren; die Schokoladen- & Kaffee-Brûlée bildet hingegen den würdigen Abschluss der Reise.
Die Speisen empfand ich tendenziell angenehm mutig gewürzt und nicht nichtssagend-lasch, insgesamt sehr lecker - ein Lob an die Küche!
Wer das stille Wasser mag, muss sein Bordkonto nicht belasten. Ein durchschnittliches Glas Wein liegt aktuell bei ca. 135-149 NOK (Flasche 625-695), ein Bier bei 129-149. Pepsi & Co. kosten 54 NOK, ein Kaffee 45-50, wobei dieser im Jubiläumsjahr ggf. gratis ist.
Dies kann auch für die Speisen im Havly-Café gelten, hier erweitert sich die Speisekarte noch etwas, und ein Gebäck (von Apfelkuchen bis Zimtschnecke) passt immer noch irgendwo rein... Wenn man freundlich fragt, kann es durchaus sein, dass man auch im Café das Überraschungsdessert bekommt. Hier und auch im Havrand-Restaurant war das Personal stets zuvorkommend und offen.
Das Konzept, dass es kein Buffet zur Selbstbedienung gibt, sondern alles bestellt und anschließend an den Tisch gebracht wird, ist zunächst ungewohnt - nach einem Tag weiß man aber, wie's funktioniert. Ich habe dies nie als Einschränkung erfahren: Der Service ist zügig unterwegs, eine Wartezeit von zehn Minuten gab's nur im seltenen Ausnahmefall. Ich empfand den Charakter der Mahlzeiten dadurch als höherwertig, ich fühlte mich wie in einem Restaurant und nicht an Massenverpflegung erinnert. Es gibt kein wildes Gewusel an Hungrigen mit einer Schlacht um die eine stets nachzufüllende Leckerei, der emsige Service bringt die Speisen zielgerichtet und gleichzeitig an den Tisch. Spätestens bei kräftigerem Wellengang kann es ein Segen sein, dass nur seefestes Personal umherläuft und nicht viele Gäste mit eventuell etwas zu vollen Tellern. In der Tischgemeinschaft haben wir dieses Thema diskutiert, auch hier kam dieses Konzept ausnahmslos gut an.
Ausflüge und Landgänge:
Stadtrundfahrten habe ich keine mitgemacht: Wer sich gut in einer Stadt orientieren kann (was bei richtiger Bedienung des Smartphones oder eines altmodischen Stadtplans sowie hinreichendem Orientierungssinn eine bewältigbare Aufgabe ist), kann sich alternativ auf die eigenen Ziele konzentrieren.
Der Geirangerfjord (ab Ålesund) im Winter war sehenswert. Falls man direkt beim eigentlichen Veranstalter buchen möchte, sollte man dies hinreichend früh tun: Nach der positiven Wettervorhersage am Vorabend war plötzlich der Folgetag als nicht mehr buchbar von der Homepage verschwunden, so dass nur noch eine teurere Buchung über Havila möglich war. Die Infos auf der Bootsfahrt waren reichhaltig, und wer aufpasst, hat gute Chancen beim kleinen Gewinnspiel. Für das leibliche Wohl ist üppig mit Wraps (Lachs, Hühnchen oder Mozzarella) und später Zimtschnecken gesorgt.
Die Zeit in Trondheim reicht für einen direkten Gang zur alten Stadtbrücke mit Blick auf die stelzengestützten Uferhäuser, weiter zum Dom und zurück zum Marktplatz über die Prinsens gate, wo man en passant einer Chocolatière einen kurzen Besuch abstatten und gleich noch ein Eis mitnehmen kann. Südgehend kann man bei ebenfalls drei Stunden Liegezeit einen Morgenspaziergang einlegen, sollte jedoch rechtzeitig an Bord um einmalige Änderung der Frühstückszeit bitten.
Bodø ist etwas größer als die meisten der nördlicheren Hafenstädte, neben einigen Souvenirshops findet sich auch ein empfehlenswerter Pâtissier, der sich hier niedergelassen hat.
In Tromsø lohnt der Weg über die große Brücke, von oben hat man einen guten Blick und gelangt anschließend zur Eismeerkathedrale. Wie sehr man diesen modernen Bau schätzt, ist jedem selbst überlassen. Das Polarmuseum bietet einen guten Einblick in den rauen (Jagd-)Alltag früherer Generationen, auch Amundsen und Nansen werden hier gewürdigt.
In Kirkenes gibt es nicht viel zu sehen, jedoch ist ein Spaziergang durch die Stadt zum kleinen Einkaufszentrum und retour am Ufer durch knirschenden Schnee bei zweistelligen Minusgraden höchst erfrischend.
Da der Hafen von Hammerfest zurzeit renoviert wird (wohl bis Spätjahr 2024), legt das Postschiff nahe des leicht zu erreichenden Meridiansteins an; die Innenstadt ist weit, bei einem geplanten strammen Marsch sollte man ggf. eisbedeckte Gehwege einkalkuieren.
Der Vesterålen-Ausflug (Harstad bis Sortland) war mit den verschneiten Hängen einer der Höhepunkte. Wer bei der Hafeneinfahrt in Sortland das unter der Brücke durchfahrende Schiff von vorne fotografieren möchte, sollte sich im Bus auf die rechte Seite setzen.
Das im Forum immer mal wieder erwähnte Eis in Brønnøysund gibt's direkt am Kai, ca. 20 m rechts von der Gangway entfernt. Ich persönlich fand's geschmacklich eher im Mittelfeld liegend, immerhin kann man die Sorte Salzlakritz probieren.
Sonstiges:
Wer sich im milden deutschen Frühling überlegt, ob man die sperrige, dicke Winterjacke wirklich mitnehmen soll, wird vermutlich beim ausgiebigen Fotografieren an Deck froh sein, sich dafür entschieden zu haben.
Ein Stativ im Reisegepäck zahlt sich bei Nordlicht aus; auch wenn sich das Schiff etwas bewegt, hat man die eigene Hand als weitere Wackelquelle ausgeschlossen.
Hauptsächlich gibt's Landschaft zu sehen, diese ist aber nicht selten weiter weg: Max. 55 mm Brennweite waren mir schnell zu kurz, das bis-300-Teleobjektiv zuhause zu lassen war eine schlechte Entscheidung. Die Vielfachzoom-Kompaktkamera war mir daher eine willkommene Alternative.
In Bergen kommt man gut mit der Straßenbahn für 40 NOK vom Flughafen in die Stadt, auch noch zu später Stunde.
Tabletten gegen Reisekrankheit kosten an der Rezeption 119 NOK, in der Apotheke 139.
Bei der Polarkreistaufe ist Kleidung sinnvoll, die man danach erstmal nicht benötigt und einen Tag trocknen lassen kann.
In der nahezu täglichen Zusammenkunft an Bord hat Harald nützliche Tipps für den Folgetag oder Marie welche zu den Ausflügen gegeben, gerade als Erstreisender sollte man dies nicht missen. Sein Wissen kann man beim Abschlussquiz unter Beweis stellen, an vorangegangenen Abenden waren bereits Norwegen, Europa und die Welt dran.
Fazit und Ausblick:
Durch oftmals strahlenden Sonnenschein, reichlich Schnee in den vorbeiziehenden Bergen und meinem ersten Nordicht werde ich die Fahrt sehr positiv in Erinnerung behalten, auch das "Souvenir" oberhalb des Gürtels wird mir noch lange des leckeren Essens gedenken lassen. Zusammen mit sehr angenehmen Bekanntschaften war es eine Reise, die ich nicht hätte missen möchten.
Ob und ggf. wann ich diese erneut antrete, weiß ich noch nicht. Mit etwas mehr Urlaubstagen würde ich über Oslo und die Bergenbahn anreisen, jeweils mit ausreichend Zeitpuffer. Die Welt ist groß, viele interessante Orte gibt es noch zu sehen, und in Gesprächen mit anderen Weitgereisten kamen einige hinzu. Vielleicht habe ich das Postschiffvirus bereits im Blut, noch ist es nicht ausgebrochen; jedenfalls kann ich diejenigen gut verstehen, die ihm immer wieder erliegen.