Schwiegermutters letzte Reise? Mit Havila unterwegs (23.01.-03.02.2023)

  • Moin! Hej! Ahoj!

    Diesmal mit etwas Abstand zur Reise doch noch ein Reisebericht. Ich hoffe, er kann die Qualitätsstandards halten und ja, der Titel ist ein bisschen makaber. Allerdings war es gottseidank nicht so und es war auch nicht meine Schwiegermutter und auch sonst niemandes Schwiegermutter, also alles wie üblich bitte nicht so ernst nehmen! Die Bilder sind mit Bedacht ausgewählt und werden mit der Zeit maritimer.


    Für Jürgen, Peter und Benni :)


    Euch kommt manches bekannt vor? Dann schnell in die Reiseberichte geschaut!

    Im Dunkeln ist gut schunkeln! Polarlys 2021

    Auf der Suche nach den Charmetrollen. Vesterålen 2017

    Unterste Kajüte und keine Charmetrolle. Vesterålen 2018


    So schnell habe ich noch nie eine Reise gebucht. Man schrieb den vorletzten Tag im Oktober 2022 und ich sah ein Angebot von Havila, im Januar die Rundreise für unter 1000 € machen zu können. Das war zufällig auch einer meiner wenigen Urlaubszeiträume. Geklickt. Bezahlt. Gekauft. Es war einfach mal wieder an der Zeit. Schon ein Jahr ohne Postschiff, dessen erholsame Wirkung auf meinen Geist erwiesen ist - eine weitere Postschiffkur musste her. Dann kam der Dezember und mit ihm eine gewisse Unbill, da das Schiff nicht so fahren sollte wie bestellt. Stattdessen bestand die Möglichkeit zur Umbuchung nach den Vorgaben der Reederei. Der Kontakt mit dem Kundenservice war eher mühselig und langwierig, aber letztlich fand sich dann doch noch ein passender Termin. So wurde es dann die Havila Capella mit Abreise am 23.01.2023. Also die Anreise noch einmal etwas modifiziert, doch in den Grundzügen der Reise – und das ist angesichts der Fahrt von Oslo nach Bergen mit dem Zug wortwörtlich zu verstehen – blieb alles gleich. Nur der Rückflug gestaltete sich schwierig, aber auch das Problem war am Ende gar keines mehr.


    Also am 22.01.2023 mit etwas Stress aus dem Haus gegangen, nach Prag gefahren, nach Oslo geflogen, in Oslo angekommen und den Weg zum Hauptbahnhof gefunden, woselbst sich mein Hotel befand. Obwohl der Tag schon recht lang war, ging ich dann noch einmal los, um mir die Oper anzuschauen, ein paar Fotos zu machen und frische Luft zu atmen. Es war ein entspannter Abend, den ich mit einer kurzen Fahrt in der T-Bane abrundete. Da ich gerne Architektur fotografiere, war ich von der Station Stortinget gefesselt und abgestoßen in gleichem Maße. Das war so schrecklich hässlich, dass es schon fast wieder schön war. Danach rief mich das Bett zu sich und ich folgte seinem Begehr.



    Das Opernhaus in Oslo ist nicht nur innen illuminiert, sondern...



    ... auch die Wege nach oben auf das Dach sind mustergültig im wahrsten Sinne des Wortes...


    ... Verwirrspiele aus Glas und Licht entstehen.

    T-Bane Station Stortinget - ein Traum in, ja was eigentlich?


    Die 70er wollen ihre Farben zurück!


    Falls für Skandinavienkrimis Drehorte gesucht werden - ich hätte da eine Empfehlung!



    Am 23.01.2023 rief das Bett wieder und ziemlich früh; diesmal: Aufstehen! Ich folgte diesem Befehl und stand auf. Erste Aufgabe für diesen Tag war ein Orientierungslauf zum Frühstück. Das wiederum war sehr schmackhaft. Mein Stolz wuchs ins Unermessliche als ich das Zimmer danach in den Irrungen und Wirrungen des Hotels wiederfand. Danach war es schon Zeit, die wenigen Meter zur Sentralstasjon zurückzulegen.



    Trikken am Morgen - bald verschwinden die SL95 von den Gleisen der norwegischen Hauptstadt.



    Es fährt ein Zug nach nirgendwo... Bergen! Der Bahnsteigzugang in Oslo S ist fast so lang wie die Reise.



    Die Bergensbane fährt nach Bergen - es gibt doch immer wieder neue, spannende Erkenntnisse.


    Der Zug nach Bergen wartete bereits und mein reservierter Platz im Pluss-Wagen auch. Ein bequemer Platz erwartete mich ebenso wie Kaffee und Tee ad libitum. Die Fahrt war sehr kurzweilig, auch dank Unterstützung von Reiseliteratur, besagten Kaffee und die wunderbare Landschaft vor den Fenstern. Schnee, See, Wald, Schnee, See und Wald, ab und zu eine Station. Dann begann der Aufstieg in die Berge und es wurde immer wildromantischer. In Finse trat ich kurz auf den Bahnsteig, einfach mal um die Luft zu schnuppern.



    Für alle, die Feuer und Flåm sind, heißt es in Myrdal umsteigen.


    In Myrdal wiederum war reger Fahrgastwechsel zu beobachten, ich half einer Dame mit dem Gepäck. Der Zug wandte sich nun wieder bergab, gen Bergen strebend. Eine Ansage auf Norwegisch machte mich neugierig – Hotdog und Waffeln im Speisewagen für die Hälfte. Noch ehe es ausgesprochen war, befand ich mich schon im Speisewagen und bestellte eine Waffel mit Schlagsahne und Marmelade. Flugs einen Platz gesucht und die Aussicht sowie die Waffel genossen. Das muss das Paradies sein.



    Kaffee, Kissen, Lektüre - so geht Reisen!


    Aus diesem wurde ich nach der Ankunft in Bergen aber schnell vertrieben – es regnete in Strömen. Umso schneller machte ich mich auf den Weg zum Hurtigruteterminal. Dort irgendwie Chaos, weil die Gepäckförderbänder nicht funktionierten. Irgendwann klappte dann doch alles und ich bekam meine Bordkarte. Sonst aber nichts weiter. Der Tradition folgend machte ich mich noch einmal auf in die Stadt und durchwanderte Altstadt, Buchläden und Freund Narvesen.



    Das Schiff ist da, eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen einer Fahrt auf der Hurtigrute.



    Ein bisschen ins Graue fotografiert...



    Durch diese hohle Gasse muss gehen, wer in Richtung Stadtzentrum möchte. Es gibt aber auch andere Wege :)



    Der Tabakladen ist immer wieder ein netter Anblick und herrlich aus der Zeit gefallen.


    Pünktlich kehrte ich zurück zum Terminal, um die Sicherheitsschulung zu absolvieren. Danach folgte der zweite Orientierungslauf für diesen Tag. Die Landungsbrücke wurde nämlich nicht benutzt. Stattdessen ging es durch ein enges Treppenhaus hinunter. Und dann steil bergauf. Nicht nur auf das Schiff, sondern auch mit meiner Laune. Das wiederum sollte sich dann kurz noch einmal ändern. Meine Kabine mag mich nicht. Die Tür schließt nicht richtig. Kurz an der Rezeption vorgesprochen und schon ziehe ich ein Deck höher. Gut, dass ich gar nicht erst anfange, auszupacken. Im Bad funktioniert das Licht nicht und die selbstöffnende Tür macht keine Anstalten, auf meine Bitten zu reagieren. Und alleine die schwere Tür aufzustemmen, schaffe selbst ich kaum. Also nochmal zur Rezeption. Dort ist man konsterniert und bedeutet mir zu warten. Ich entgegne salopp, dass ich noch 11 Tage Zeit hätte. Das nimmt den Stress und schon findet sich eine Lösung. Kabine 4202. Eine Außenkabine. Ich soll dem Rezeptionisten folgen und sehe bald darauf einen Kühlschrank, eine Kaffeemaschine, ein urgemütliches Sofa und ein großes Fenster. Ja, das will ich! Also alles geritzt und auch im Restaurant weiß man kurz darauf schon, dass ich als unfreiwilliger Kabinentester unterwegs bin. Das Abendessen verbringe ich alleine am Tisch, ich habe es als sehr gut in Erinnerung – wie vorneweg gesagt: alle Mahlzeiten! Neben mir sitzt eine Griechin, die noch versucht eine Sprache mit der Besatzung zu finden. Im Augenwinkel sehe ich einen anderen Tisch, dort sehe ich drei Leute, eine wohl ältere Dame und ein augenscheinliches Ehepaar. Ah, denke ich, die beiden begleiten die ältere Dame auf ihrer Reise. Wie nett. Den Abend verbringe ich draußen, mein Lieblingsplatz wird bald der Umlaufsteg vor dem Panoramasalon herum. Außerdem weiß ich nun endlich, warum mein Rucksack so leicht war – ein bisschen zu wenig eingepackt. Also einmal gewaschen, wo mich die Waschmaschinen auf Türkisch begrüßten. Wieder auf der Kabine lümmel ich mich auf das Sofa und dann ist es auch Zeit für das Bett.


    Am nächsten Morgen (24.01.2023) wache ich in der Dämmerung auf, der Himmel ist grau und es regnet. Ein kleiner Blick nach draußen an Deck bestätigt mit Tropfen auf der Brille diesen Eindruck. Ich gehe zum Frühstück und erhöre, dass ich einen neuen Tisch bekommen hätte. Gut, das wird noch häufiger vorkommen. Auch das Frühstück funktioniert so weit gut, wenngleich die Brotauswahl verstörend groß und namentlich nicht unbedingt einfach zu bewerkstelligen ist. Und es gibt keinen Brunost, was mich schon etwas verstimmt. Andererseits, die Ruhe und das Bedientwerden sind schon Vorteile. Was erwartet uns heute? Ålesund. Die zwölf Stunden hier empfinde ich schon ein bisschen als Gängelung, die sollte man lieber nach Trondheim verlegen, auch wenn ich schon weiß, dass damit nur die Abstecher nach Urke und Geiranger ausgeglichen werden. In einer Art Regenpause (was meint, dass es nur noch leicht regnet) begann ich einen Spaziergang durch die Stadt hin zum Hafenfeuer.



    Und immer wieder Ålesund...


    Also umrundete ich einmal den Hafen und kam dann am Feuer an. Immerhin auch schon 1858 gebaut, 1889 automatisiert und heute Dependance des Hotels Brosundet. Muss auch interessant sein, aber ich habe ja mein Hotel immer bei mir. Ich werde angesprochen, weiß aber nicht von wem. Abends beschwert sich die Griechin bei mir, dass ich sie nicht erkannt hätte. Gut, wenn man sich in Räuberzivil beim Essen sieht und in Pudelmütze und ähnlichem an Land, das konnte ich nicht ahnen. Nur wenige Menschen waren unterwegs, ich kehrte zum Mittagessen wieder auf das Schiff zurück.



    Die Capella am Kai in Ålesund. Spiegelt sich gleich an mehreren Achsen und macht wie ihre roten Schwestern eine gute Figur. Auch in blau.


    Auch das Mittagessen konnte überzeugen, besonders die vielen kleinen Dinge zur Auswahl. Fester Bestandteil wurden die Pommes, die zwar nicht so hießen, die aber selbst die Kellner so nannten. Die waren zu Anfang teils distanziert, teils sehr aufgeschlossen bis überaus heiter, man lernte sich während der Fahrt immer besser kennen. Am Nachmittag hatte ich mir den Aksla vorgenommen, so geschah es dann auch. Die Treppe hinauf war wieder eine kleine Herausforderung, aber Zeit war ja genug und so erreichte ich dann gut gelaunt die Aussichtsplattform.



    Auch beim Aufstieg ergeben sich schon schöne Ausblicke.


    Diesmal war ich oben wirklich ganz allein, meine Hoffnung, hier einen neuen Jürgen zu finden, zerschlug sich. Aber die Aussicht entlohnte in mehrfacher Hinsicht.





    Oben verbringe ich eine gewisse Zeit und fotografiere fast als Einziger. Auch sonst hält sich die Anzahl der Fotografen auf dem Schiff in engen Grenzen, sodass man immer wieder dieselben Leute trifft. Und umgekehrt wissen alle, dass ich fotografiere...



    In der Blauen Stunde machen angeleuchtete Bäume entlang des Weges eine gute Figur, leicht ins Mystische gehend. Trollalarm?


    Ich stieg wieder in die Stadt hinab und besuchte das Einkaufszentrum, welches in Sachen Kompakt- und Verwirrtheit immer wieder für Furore sorgt und entfernt an das Haus, das Verrückte macht erinnert. Es gab wieder Limonadengetränke im Vierer günstiger, also eingekauft und abmarschiert. Nicht, ohne noch dem Buchladen einen kurzen Besuch abzustatten, dann aber wirklich, zurück zum Schiff. Das Abendessen war wiederum sehr schmackhaft und völlig ausreichend, danach zog ich mich auf die Koje zurück und schrieb Tagebuch. Trondheim wartet auf mich!


    Martin

  • murmansk84 - diesen Bericht verfolge ich mit besonderem Interesse, denn du bist der Nordnorge mit mir und omlia direkt hinterhergefahren- wir sind euch in Berlevåg begegnet!


    Der lange Aufenthalt in Ålesund ist besonders bei diesem Wetter eher suboptimal, die Zeit in Trondheim dagegen deutlich zu kurz.


    Bei der T-Bane-Station unterstelle ich mal großzügig, dass die Wasserlachen nicht das sind, was man in Unterführungen oft antrifft :o-wink Deine Fotos zeigen, dass Häßliches gute Motive liefert :o-thumbup

    Viele Grüsse, Albatross
    Reiseberichte im Profil

  • So macht das Forum am Morgen (nach starkem Gewitter) Spaß; da kommt gleich die Sonne raus.

    Die Fotos haben was!! Es ist schön, dass nahezu jeder hier seine eigenen Sichten auf Kleinigkeiten und auch Großes veröffentlicht. Danke für Deine Einblicke!

    Balou

  • murmansk84, da bin ich mal gespannt, ob wir die Regenwand für dich durchbrochen haben! Fast bis zum Wendepunkt haben wir mitten drin gesteckt!

    Den Begriff "Morgengrauen" hat Ålesund im doppelten Sinn wörtlich genommen.

    Regen, Regen und so viel Wind, dass wir unter lautem Gerassel mit Anker anlegen mussten (s. Beweisfotos in den Berichten von Albatross und mir!)

    Und grauenvoll blieb es den ganzen Tag über!

    Ich freue mich sehr auf deinen Bericht und deine ganz besondere Art, die Welt in den Blick zu nehmen!


    Viele Grüße

    omlia :o-smile


    Reiseberichte im Profil

  • murmansk84, toll wieder einen launigen Bericht von dir zu lesen mit schönen Fotos unterlegt.

    Da hattest du Glück, dass du nicht die 11 Tage mit warten auf eine Kabine verbringen musstest (kein Smiley hier Handy)

    Freue mich auf die Fortsetzung.


    Du wärst ja, wenn die "Polaris" planmäßig gestartet wäre bei unserem Forumstreffen im Januar dabei gewesen


    Gruß seealpe

  • murmansk84

    Ich freue mich über einen weiteren Reisebericht von dir, weil ich deine humorvolle und pointierte Schreibweise sehr mag. Deine Fotos sind auch wieder ausgefallen und schön.:ok:


    Bin sehr gespannt, was dem unfreiwilligen Kabinentester noch so alles widerfahren ist. :mosking: Freu mich auf die Fortsetzung! :girl-dance:

    Liebe Grüße, borea :flower:


    Give peace a chance!

  • Fortsetzung.

    Irgendwie habe ich heute Probleme mit der Formatierung beim Einfügen meines vorgeschriebenen Textes. Ich hoffe, der ist auch so problemlos lesbar und findet eine ebenso gute Aufnahme wie der erste Teil, ich bedanke mich bei allen für Ihre Reaktionen.

    Am nächsten Morgen ist es wiederum recht trüb und grau, die Nacht war erholsam und wie immer beginne ich den Tag mit einem kurzen Rundgang über das Schiff. Auch am 25.01.2023 gibt es natürlich ein Frühstück – zu sagen, man hätte schon Orientierung wäre vielleicht etwas zu viel gesagt, aber immerhin: Ich weiß, wo wir sind. Andere würden gerne schon von der Rückfahrtspeisekarte bestellen und bekommen vom bemühten Personal eine Schnellbesohlung in Geographie. Dem kann ich mich in Teilen anschließen, aber Brunost gibt es noch früh genug. Wieder sehe ich bekannte Gesichter, wieder die Familie mit Schwiegermutter, da wird sich am Tisch angeregt unterhalten. Ich merke aber, auch ich werde hin und wieder gemustert.

    Wenn Munkholmen in Sicht kommt, kann Trondheim nicht mehr weit sein.


    Zu meiner großen Freude sind wir deutlich zu früh im trüben und feuchten Trondheim und wie ein Hund, der dringend Gassi muss, stehe ich mit den Füßen scharrend am Ausgang.

    Und richtig, da ist es schon. Verlockendes Wetter, wirklich.


    Aber auch bei eher mäßigem Wetter macht Trondheim einen netten Eindruck.


    Meine Berechnung geht auf: der Ausflug „Straßenbahnfahrt“ ist genau geplant und unabhängig von der Verfrühung des Schiffes. So sehe ich den Museumswagen ankommen, kann ihn fotografieren und das alles, obwohl ich zu Fuß gegangen bin.


    Martin 1 : Straßenbahn 0. Der Museumswagen rollt an und wird gleich eine Gruppe interessierter Bootspassagiere aufnehmen.


    Die Blicke der Fahrgäste aus dem Wagen heraus waren etwas verblüfft – schließlich habe ich einen Reisebus zu Fuß überholt. Danach besuche ich Trønderfrim, diese skurrile Mischung aus Philatelistenmekka, Modellbauparadies und Eisenbahnhimmel. Wegen letzterer bin ich da. Der wortkarge, aber freundliche Inhaber fragt nach meinem Begehr und sucht mir einen Wagen heraus, den ich noch nicht habe. Danach überlege ich kurz: Straßenbahn oder Innenstadt?


    Einer meiner Bekannten bracht in seinem Verlag mal ein Buch namens "Almost" heraus, um in jenem Orte in Wien vorzustellen, die auch anderswo auf der Welt sein könnten. Hier: Almost Sarajevo.


    Ich entscheide mich für die Innenstadt und lasse mich treiben. Am Buchladen vorbei. Zum Dome hin.


    Der Dom war zwar interessant, das Gelände um ihn herum allerdings nahezu unbegehbar (ohne Taucheranzug, Schneeschuhe oder Luftmatratze).

    Dann über die Gamle Bybro durch das Baklandet langsam zurück zum Schiff.

    Irgendwo las ich mal, die Brücke sei kaum ohne andere Menschen fotografierbar. Gegenbeweis erbracht.


    Eine ziemlich hässliche Baustelle auf der rechten Seite wurde durch ein ziemlich geschickt platziertes Gebäude kaschiert.


    Im Baklandet.


    Im Baklandet II, da fehlt wirklich noch eine Stunde in Trondheim um sich das besser anschauen zu können. Oder eben die gefühlt 100 Stunden aus Ålesund.


    Großstadtidyll


    Ein paar Kilometer mögen zusammengekommen sein – aber die haben sich gelohnt. Auf dem Schiff erwartet mich dann das Mittagessen und danach teste ich die Couch aus. Ja, lümmelt sich gut. So dümpeln wir Rørvik entgegen. Es ist herrlich entspannt und ich schaue aus dem Fenster, das ich schon so liebgewonnen habe, dass ich gar nicht weiß, wie ich jemals wieder eine Reise ohne buchen soll… Irgendwann am Nachmittag kommt dann die Ansage, dass der meistfotografierte Leuchtturm Norwegens gleich in Sicht kommt. Das ist doch ein schöner Anlass, mal wieder ins Freie zu gehen. Jedenfalls, solange das noch geht, denn irgendwie nimmt die Anzahl der defekten Türen auf dem obersten Deck mit jedem Reisetag zu. Die Kamera im Anschlag entstehen doch wirklich ein paar schöne Bilder vom Leuchtturm, dessen Aussprache ich aus Respekt vor dem Norwegischen doch gar nicht erst probiere, aber schreiben kann ich es ja: Kjeungskjær. Ich besuche die Cafeteria und gönne mir eine Havilabolle, sehr fein. Der Bordshop indes ist nicht so nach meinem Geschmack, man fühlt sich irgendwie immer beobachtet und die Kleidungsauswahl ist ähnlich gut wie bei der roten Konkurrenz, für meine Größe (besser: Höhe) gibt es im Prinzip nur die Auswahl Zelt oder nichts. Der Tag geht so dahin und die See wird rauer. So rau, dass sich die Reiseleiterin meldet und meint, sie habe gehört, dass viele sehr krank seien. Ihr Tipp: Aushalten! Bis 21 Uhr, danach bleibt es bis zum Nachmittag ruhig. Winter hat sich noch nicht eingestellt, aber kommt vielleicht noch. Dafür wette ich – vergebens – auf die Passage des Polarkreises, aber die war um 7:48:25 Uhr, nicht erst um 8 Uhr. Pünktlich sind sie ja. Darüber muss ich mir noch keine Gedanken machen, denn das Abendessen ist mindestens genauso wichtig. Das war wieder schmackhaft, nur manchmal ist es schwierig, wenn man nicht alles isst und sich irgendwie alle Gerichte auszuschließen scheinen. Abends in Rørvik kein Niederschlag, kein schlechtes Wetter, nicht einmal Wind. Sind wir im falschen Hafen?


    Ein neuer Tag bricht an. Ich schlafe ziemlich lange und ziemlich gut, bemerke aber, dass wir in Nesna pünktlich sind. Also wieder nichts mit der Polarkreiswette und um diese Erkenntnis reicher gehe ich zum Frühstück. Mittlerweile, wir schreiben den 26.01.2023, habe ich den Bogen raus, die Kellner wissen schon, was ich möchte und ja, insgesamt überzeugt das Essenskonzept bei Havila schon, wenn man nicht immer das Gefühl hätte, man müsste für etliche Selbstverständlichkeiten extra zahlen – sei es das Polarzeugnis, ein Nachschlag beim Abendessen oder gewisse Delikatessen, die bei Hurtigruten inkludiert sind (Käseteller!). Gut, dafür hat man ja das Bordguthaben, das bei mir irgendwie aber auch nicht weniger wird. Der Polarkreis interessiert mich nicht weiter, es ruckt nur kurz bei der Überquerung, aber das Wetter zieht heute alle Register, es schneit dichte Flocken, dann wieder scheint mal die Sonne, bevor wieder ein Schneesturm heraufzieht. Das lockt natürlich mich und meine Kamera (vor allem die) nach draußen. Also schön warm angezogen und hinausgestürmt. Doch halt. Das Deck entpuppt sich im Bereich des Pools als Eislaufbahn. Komisch, davon stand nirgends etwas. Also der Pool schwappt über, das Wasser friert fest und kann bei Bedarf mit Wärmelampen wieder verflüssigt werden. Gut, aber der Rest des Decks sieht trotzdem aus wie eine Übungsanlage für Freiluftcurling. Besonders spannend stelle ich mir den Weg von der Sauna in den Pool vor, schön angeschwitzt und heißgemacht hinaus auf die Bretter, die die Welt (und eine Unfallgefahr) bedeuten und dann in den Pool geschlittert, mit Salto am besten. Die Fotos gelingen, die See ist ruhig – Herz, was willst Du mehr? Mittagessen wäre doch eine Ansage und so geschieht es. Wieder unter den wachsamen Augen dieser Familie, dann kommen auch die Dänen wieder, die zwischen den Mahlzeiten rauchen oder stricken – bei gutem Wetter beides. Andere Deutsche erscheinen auch und zu mir an den Tisch gesellt sich ein freundlicher und gesprächiger Amerikaner, der auch etwas Deutsch spricht und ansonsten mein mühsam hervorgeholtes Schulenglisch preist. Nun wollen wir mal schauen, ob es eventuell auch mehr als die drei empfohlenen Gänge gibt. Gibt es, kein Problem. Manches ist wirklich außerordentlich schmackhaft, manches muss man nur einmal essen – die Suppen jedenfalls sind so wie die Pommes für jeden Tag gesetzt. Ansonsten scheint Havila auf irgendeinem Markt eine größere Menge Brokkoli günstig erstanden zu haben – ich warte auf Brokkolicocktails in der Bar, sonst hat man fast alles aus diesem Gemüse gemacht. Und schon laufen wir Bodø an. Endlich wieder Fotos!

    Zeit für ein Portrait mit Dame.


    Wie aufgezogen mache ich mich auf den Weg in die Stadt, sehe am Bahnhof, dass der Zugverkehr gerade eingestellt ist und lande in der Touristinformation, wo mich eine freundliche Dame begrüßt, die allerdings auf Havila nicht gut zu sprechen ist. Als ich ihr sage, dass es nicht einmal jeden Tag Brunost gibt (mittlerweile behoben), meint sie, dass sei ja absolut nicht norwegisch und ich solle doch hier im Supermarkt Käse kaufen und Brot. Stimmt, ich habe ja einen Kühlschrank. Nach dem Einkauf kleinerer Mitbringsel und dem Versprechen, 2024 wiederzukommen, wenn Bodø Kulturhauptstadt wird, setze ich meinen Rundgang fort. Allerorten entsteht Neues, die Architektur ist ansprechend (wenn man Beton mag) und ich denke, man kann sagen, dass sich die Stadt neu (er)findet.

    Beton mit Glas kombiniert oder Glas mit Beton kombiniert - die neuen Gebäude in Bodø vermögen durch Abwechslungsreichtum zu überzeugen.


    Rathaustreppe


    Im Hafen



    Hausboote kenne ich ja... aber so?


    Fast vergesse ich Zeit und Raum, doch dann nehme ich die Beine in die Hand und bin rechtzeitig zurück am Schiff. Auch die Ausfahrt aus Bodø lohnt ein paar Fotos, eindrucksvoll zeigen sich Berge und Meer.


    Weiter geht die Reise!



    Ein Blick zurück - in einem ganz eigenem Licht.


    Unterwegs wieder Spiele von Sonne, Wolken, Wind und Mee(h)r.



    Nun geht es in Richtung Lofoten und auch hier bleibt die See ruhig. Das hatten wir auch schon ganz anders. Auf der Kabine gönne ich mir einen Kaffee, etwas Musik über das WLAN, welches übrigens ganz ausgezeichnet funktioniert. Irgendwann fällt mir auch auf, dass es gar keine Tagesprogramme gibt. Ich frage nach und erfahre, dass man auf papierlos setzt und alles im Fernsehen zu sehen sei. Nicht unbedingt nach meinem Geschmack, zumal ich den Fernseher sonst überhaupt nicht brauche. Ein Hinweis dazu irgendwo wäre auch gut gewesen, aber das nur nebenbei. Auch die Dame, die mir diese Information gibt, scheint von dem Konzept nicht restlos begeistert. Dem Tag dämmert so langsam der Abend und das heißt: Essen! Alles hat sich eingespielt, die Kellner und besonders eine Kellnerin tun alles für gute Unterhaltung und freuen sich auch über Sprachversuche in Norwegisch. Manchmal liegt an meinem Platz auch nur die norwegische Karte ohne deutsche Übersetzung, ob zur Fortbildung oder zur Belustigung, keine Ahnung. Ich nehme die Herausforderung an. Bei Stamsund begegnen wir dann dem einzig sich unterwegs befindlichen Schwesterschiff von Havila, der Castor.


    Castor (nicht im Wendland, sondern vor Stamsund)


    Generell werden solch eigentlich interessanten Programmpunkte entweder zu früh, zu spät oder gar nicht durchgesagt, manchmal auch falsch. Da heißt es dann, selbst ist der Martin und so halte ich nach Schiffsbegegnungen und anderen interessanten Punkten selbstständig Ausschau. Den Winkwettbewerb haben wir haushoch verloren, auf der Castor war eine Stimmung wie Silvester, bei uns eher so Allerheiligen in ruhig. In Svolvær angekommen lockt die traditionelle Hafenlichtbildnerei, diesmal mit blauem Schiff, aber wie heißt es so schön? Nachts sind alle Schiffe blau.


    Ich, mein Stativ und meine Kamera haben uns für ein gemeinsames Abendprogramm entschieden.


    Auf mich trifft das nicht zu, obwohl ich mir abends in der Bar einmal ein Bier gönne. Aber so allein da zu sein macht dann auch keinen Spaß und ich begebe mich in die Horizontale. Morgen erwartet uns Tromsø. Und ich habe Pläne, man könnte sagen, ich springe im Dreieck!


    Und mit dem Blick in den abendlichen Hafen von Svolvær verabschiede ich mich bis zum nächsten Teil.


    Martin

Participate now!

Don’t have an account yet? Register yourself now and be a part of our community!