Moin! Hej! Ahoj!
Diesmal mit etwas Abstand zur Reise doch noch ein Reisebericht. Ich hoffe, er kann die Qualitätsstandards halten und ja, der Titel ist ein bisschen makaber. Allerdings war es gottseidank nicht so und es war auch nicht meine Schwiegermutter und auch sonst niemandes Schwiegermutter, also alles wie üblich bitte nicht so ernst nehmen! Die Bilder sind mit Bedacht ausgewählt und werden mit der Zeit maritimer.
Für Jürgen, Peter und Benni
Euch kommt manches bekannt vor? Dann schnell in die Reiseberichte geschaut!
Im Dunkeln ist gut schunkeln! Polarlys 2021
Auf der Suche nach den Charmetrollen. Vesterålen 2017
Unterste Kajüte und keine Charmetrolle. Vesterålen 2018
So schnell habe ich noch nie eine Reise gebucht. Man schrieb den vorletzten Tag im Oktober 2022 und ich sah ein Angebot von Havila, im Januar die Rundreise für unter 1000 € machen zu können. Das war zufällig auch einer meiner wenigen Urlaubszeiträume. Geklickt. Bezahlt. Gekauft. Es war einfach mal wieder an der Zeit. Schon ein Jahr ohne Postschiff, dessen erholsame Wirkung auf meinen Geist erwiesen ist - eine weitere Postschiffkur musste her. Dann kam der Dezember und mit ihm eine gewisse Unbill, da das Schiff nicht so fahren sollte wie bestellt. Stattdessen bestand die Möglichkeit zur Umbuchung nach den Vorgaben der Reederei. Der Kontakt mit dem Kundenservice war eher mühselig und langwierig, aber letztlich fand sich dann doch noch ein passender Termin. So wurde es dann die Havila Capella mit Abreise am 23.01.2023. Also die Anreise noch einmal etwas modifiziert, doch in den Grundzügen der Reise – und das ist angesichts der Fahrt von Oslo nach Bergen mit dem Zug wortwörtlich zu verstehen – blieb alles gleich. Nur der Rückflug gestaltete sich schwierig, aber auch das Problem war am Ende gar keines mehr.
Also am 22.01.2023 mit etwas Stress aus dem Haus gegangen, nach Prag gefahren, nach Oslo geflogen, in Oslo angekommen und den Weg zum Hauptbahnhof gefunden, woselbst sich mein Hotel befand. Obwohl der Tag schon recht lang war, ging ich dann noch einmal los, um mir die Oper anzuschauen, ein paar Fotos zu machen und frische Luft zu atmen. Es war ein entspannter Abend, den ich mit einer kurzen Fahrt in der T-Bane abrundete. Da ich gerne Architektur fotografiere, war ich von der Station Stortinget gefesselt und abgestoßen in gleichem Maße. Das war so schrecklich hässlich, dass es schon fast wieder schön war. Danach rief mich das Bett zu sich und ich folgte seinem Begehr.
Das Opernhaus in Oslo ist nicht nur innen illuminiert, sondern...
... auch die Wege nach oben auf das Dach sind mustergültig im wahrsten Sinne des Wortes...
... Verwirrspiele aus Glas und Licht entstehen.
T-Bane Station Stortinget - ein Traum in, ja was eigentlich?
Die 70er wollen ihre Farben zurück!
Falls für Skandinavienkrimis Drehorte gesucht werden - ich hätte da eine Empfehlung!
Am 23.01.2023 rief das Bett wieder und ziemlich früh; diesmal: Aufstehen! Ich folgte diesem Befehl und stand auf. Erste Aufgabe für diesen Tag war ein Orientierungslauf zum Frühstück. Das wiederum war sehr schmackhaft. Mein Stolz wuchs ins Unermessliche als ich das Zimmer danach in den Irrungen und Wirrungen des Hotels wiederfand. Danach war es schon Zeit, die wenigen Meter zur Sentralstasjon zurückzulegen.
Trikken am Morgen - bald verschwinden die SL95 von den Gleisen der norwegischen Hauptstadt.
Es fährt ein Zug nach nirgendwo... Bergen! Der Bahnsteigzugang in Oslo S ist fast so lang wie die Reise.
Die Bergensbane fährt nach Bergen - es gibt doch immer wieder neue, spannende Erkenntnisse.
Der Zug nach Bergen wartete bereits und mein reservierter Platz im Pluss-Wagen auch. Ein bequemer Platz erwartete mich ebenso wie Kaffee und Tee ad libitum. Die Fahrt war sehr kurzweilig, auch dank Unterstützung von Reiseliteratur, besagten Kaffee und die wunderbare Landschaft vor den Fenstern. Schnee, See, Wald, Schnee, See und Wald, ab und zu eine Station. Dann begann der Aufstieg in die Berge und es wurde immer wildromantischer. In Finse trat ich kurz auf den Bahnsteig, einfach mal um die Luft zu schnuppern.
Für alle, die Feuer und Flåm sind, heißt es in Myrdal umsteigen.
In Myrdal wiederum war reger Fahrgastwechsel zu beobachten, ich half einer Dame mit dem Gepäck. Der Zug wandte sich nun wieder bergab, gen Bergen strebend. Eine Ansage auf Norwegisch machte mich neugierig – Hotdog und Waffeln im Speisewagen für die Hälfte. Noch ehe es ausgesprochen war, befand ich mich schon im Speisewagen und bestellte eine Waffel mit Schlagsahne und Marmelade. Flugs einen Platz gesucht und die Aussicht sowie die Waffel genossen. Das muss das Paradies sein.
Kaffee, Kissen, Lektüre - so geht Reisen!
Aus diesem wurde ich nach der Ankunft in Bergen aber schnell vertrieben – es regnete in Strömen. Umso schneller machte ich mich auf den Weg zum Hurtigruteterminal. Dort irgendwie Chaos, weil die Gepäckförderbänder nicht funktionierten. Irgendwann klappte dann doch alles und ich bekam meine Bordkarte. Sonst aber nichts weiter. Der Tradition folgend machte ich mich noch einmal auf in die Stadt und durchwanderte Altstadt, Buchläden und Freund Narvesen.
Das Schiff ist da, eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen einer Fahrt auf der Hurtigrute.
Ein bisschen ins Graue fotografiert...
Durch diese hohle Gasse muss gehen, wer in Richtung Stadtzentrum möchte. Es gibt aber auch andere Wege
Der Tabakladen ist immer wieder ein netter Anblick und herrlich aus der Zeit gefallen.
Pünktlich kehrte ich zurück zum Terminal, um die Sicherheitsschulung zu absolvieren. Danach folgte der zweite Orientierungslauf für diesen Tag. Die Landungsbrücke wurde nämlich nicht benutzt. Stattdessen ging es durch ein enges Treppenhaus hinunter. Und dann steil bergauf. Nicht nur auf das Schiff, sondern auch mit meiner Laune. Das wiederum sollte sich dann kurz noch einmal ändern. Meine Kabine mag mich nicht. Die Tür schließt nicht richtig. Kurz an der Rezeption vorgesprochen und schon ziehe ich ein Deck höher. Gut, dass ich gar nicht erst anfange, auszupacken. Im Bad funktioniert das Licht nicht und die selbstöffnende Tür macht keine Anstalten, auf meine Bitten zu reagieren. Und alleine die schwere Tür aufzustemmen, schaffe selbst ich kaum. Also nochmal zur Rezeption. Dort ist man konsterniert und bedeutet mir zu warten. Ich entgegne salopp, dass ich noch 11 Tage Zeit hätte. Das nimmt den Stress und schon findet sich eine Lösung. Kabine 4202. Eine Außenkabine. Ich soll dem Rezeptionisten folgen und sehe bald darauf einen Kühlschrank, eine Kaffeemaschine, ein urgemütliches Sofa und ein großes Fenster. Ja, das will ich! Also alles geritzt und auch im Restaurant weiß man kurz darauf schon, dass ich als unfreiwilliger Kabinentester unterwegs bin. Das Abendessen verbringe ich alleine am Tisch, ich habe es als sehr gut in Erinnerung – wie vorneweg gesagt: alle Mahlzeiten! Neben mir sitzt eine Griechin, die noch versucht eine Sprache mit der Besatzung zu finden. Im Augenwinkel sehe ich einen anderen Tisch, dort sehe ich drei Leute, eine wohl ältere Dame und ein augenscheinliches Ehepaar. Ah, denke ich, die beiden begleiten die ältere Dame auf ihrer Reise. Wie nett. Den Abend verbringe ich draußen, mein Lieblingsplatz wird bald der Umlaufsteg vor dem Panoramasalon herum. Außerdem weiß ich nun endlich, warum mein Rucksack so leicht war – ein bisschen zu wenig eingepackt. Also einmal gewaschen, wo mich die Waschmaschinen auf Türkisch begrüßten. Wieder auf der Kabine lümmel ich mich auf das Sofa und dann ist es auch Zeit für das Bett.
Am nächsten Morgen (24.01.2023) wache ich in der Dämmerung auf, der Himmel ist grau und es regnet. Ein kleiner Blick nach draußen an Deck bestätigt mit Tropfen auf der Brille diesen Eindruck. Ich gehe zum Frühstück und erhöre, dass ich einen neuen Tisch bekommen hätte. Gut, das wird noch häufiger vorkommen. Auch das Frühstück funktioniert so weit gut, wenngleich die Brotauswahl verstörend groß und namentlich nicht unbedingt einfach zu bewerkstelligen ist. Und es gibt keinen Brunost, was mich schon etwas verstimmt. Andererseits, die Ruhe und das Bedientwerden sind schon Vorteile. Was erwartet uns heute? Ålesund. Die zwölf Stunden hier empfinde ich schon ein bisschen als Gängelung, die sollte man lieber nach Trondheim verlegen, auch wenn ich schon weiß, dass damit nur die Abstecher nach Urke und Geiranger ausgeglichen werden. In einer Art Regenpause (was meint, dass es nur noch leicht regnet) begann ich einen Spaziergang durch die Stadt hin zum Hafenfeuer.
Und immer wieder Ålesund...
Also umrundete ich einmal den Hafen und kam dann am Feuer an. Immerhin auch schon 1858 gebaut, 1889 automatisiert und heute Dependance des Hotels Brosundet. Muss auch interessant sein, aber ich habe ja mein Hotel immer bei mir. Ich werde angesprochen, weiß aber nicht von wem. Abends beschwert sich die Griechin bei mir, dass ich sie nicht erkannt hätte. Gut, wenn man sich in Räuberzivil beim Essen sieht und in Pudelmütze und ähnlichem an Land, das konnte ich nicht ahnen. Nur wenige Menschen waren unterwegs, ich kehrte zum Mittagessen wieder auf das Schiff zurück.
Die Capella am Kai in Ålesund. Spiegelt sich gleich an mehreren Achsen und macht wie ihre roten Schwestern eine gute Figur. Auch in blau.
Auch das Mittagessen konnte überzeugen, besonders die vielen kleinen Dinge zur Auswahl. Fester Bestandteil wurden die Pommes, die zwar nicht so hießen, die aber selbst die Kellner so nannten. Die waren zu Anfang teils distanziert, teils sehr aufgeschlossen bis überaus heiter, man lernte sich während der Fahrt immer besser kennen. Am Nachmittag hatte ich mir den Aksla vorgenommen, so geschah es dann auch. Die Treppe hinauf war wieder eine kleine Herausforderung, aber Zeit war ja genug und so erreichte ich dann gut gelaunt die Aussichtsplattform.
Auch beim Aufstieg ergeben sich schon schöne Ausblicke.
Diesmal war ich oben wirklich ganz allein, meine Hoffnung, hier einen neuen Jürgen zu finden, zerschlug sich. Aber die Aussicht entlohnte in mehrfacher Hinsicht.
Oben verbringe ich eine gewisse Zeit und fotografiere fast als Einziger. Auch sonst hält sich die Anzahl der Fotografen auf dem Schiff in engen Grenzen, sodass man immer wieder dieselben Leute trifft. Und umgekehrt wissen alle, dass ich fotografiere...
In der Blauen Stunde machen angeleuchtete Bäume entlang des Weges eine gute Figur, leicht ins Mystische gehend. Trollalarm?
Ich stieg wieder in die Stadt hinab und besuchte das Einkaufszentrum, welches in Sachen Kompakt- und Verwirrtheit immer wieder für Furore sorgt und entfernt an das Haus, das Verrückte macht erinnert. Es gab wieder Limonadengetränke im Vierer günstiger, also eingekauft und abmarschiert. Nicht, ohne noch dem Buchladen einen kurzen Besuch abzustatten, dann aber wirklich, zurück zum Schiff. Das Abendessen war wiederum sehr schmackhaft und völlig ausreichend, danach zog ich mich auf die Koje zurück und schrieb Tagebuch. Trondheim wartet auf mich!
Martin